Eine Geschichte vom Faslam 1960

Es war einmal an einem Faslamsabend in Nindorf. In Främbs Gasthaus saßen die Faslamsleute gesellig beisammen und verzehrten mit Wohlbehagen die geschnorrte Wurst und Eier mit Kartoffelsalat, den die Wirtin Hermine Matthies angerichtet hatte. Als alle reichlich gegessen, das letzte Glas getrunken und einige Streiche vom vergangenen Faslam erzählt hatten, ging die Uhr auf Mitternacht zu, aus der Küche kam die Wirtin und gebot, da es wirklich an der Zeit war, ihren Gästen Feierabend. Wahrscheinlich wären alle noch gern geblieben, aber sie wussten auch, dass Hermine Haus, Küche und Gasträume voller Gäste zu führen wusste. Ihr Wort galt drinnen wie draußen, im Hause und unter den Gästen wie auch bei den Faslamsbrüdern. Die Faslamsgesellschaft musste sich erheben und das Lokal verlassen. Während manche sich auf den Heimweg machten, war es anderen viel zu früh, nach Hause zu gehen. Zu schade, dass der Faslamsabend hier vor der Tür des Gasthauses so kläglich enden sollte! Faslam und kaum Mitternacht, da musste doch noch etwas passieren!

 

Wenn vor zehn und mehr Jahren die Musikkapelle ihre Instrumente einpackte, weil den Faslamsbrüdern das Geld für einige Überstunden fehlte, dann spielte Otto Willenbokel mit seiner Ziehharmonika allein weiter zum Tanz, ohne Geld dafür zu nehmen. Aber Otto war vor etwa zehn Jahren aus Nindorf weggezogen und wohnte nun rund zwanzig Kilometer hinter Lüneburg. Er aber hatte sich um den Nindorfer Faslam wirklich verdient gemacht. So dachten die letzten Gäste draußen vor ihrem Gasthaus in Nindorf. „Wir müssen unserem Otto die Ehre und Dankbarkeit erweisen, und zwar schnell noch, am allerbesten sofort. Wir müssen jetzt alle zusammen nach Gifkendorf, Otto wird sich freuen!“ Insgeheim fragte sich jeder, was Magdalene, Ottos Frau, wohl auf den Tisch stellt und was es bei Otto wohl zu trinken gibt, wenn wir kommen.

 

Es waren zwölf Leute, die so dachten, aber nur einer konnte sein Auto, einen Opel Olympia, bereitstellen, und keiner wollte zu Hause bleiben. Der Autohalter war Karl Schütt, und der bot allen das Auto an. Sofort gab es ein Gerangel um die wenigen Sitzplätze für so viele Fahrgäste. Wer es nicht gesehen hat, wird es kaum glauben: es saßen neun Leute in einem einfachen PkW. Zwei, Heinz Ahlers und Dieter Riedel, standen abseits und sahen sich die Fracht an, eine dritte war Karls damalige Freundin Thea. Aus dem Gedränge im Auto stieg dann Walter Abendroth wegen dringender Geschäfte wieder aus, und die abseits stehende Thea nahm sofort seinen Platz ein, worauf Walter -für lange Zeit grollend- nach Hause ging, das Auto aber durch die Rechtskurve den Berg hinauf in Richtung Gifkendorf abfuhr.

 

Nach einer guten halben Stunde erreichte die Gesellschaft noch nicht das Ziel, aber Kirchgellersen, und da war auch gerade Faslam. Da wollte man gar nicht rein, aber man musste doch, um sich deren Faslam anzusehen, die Faslamsbrüder zu begrüßen und mit ihnen eine Runde zu trinken. Also blieb das Auto wie von selbst stehen, alle, aber auch alle stiegen aus, und siehe: welche Überraschung! Da waren gar nicht neun Leute, nein elf Nindorfer standen um das Auto herum. Heinzi Ahlers und Dieter Riedel, die noch in Nindorf vor Främbs Gasthaus stehen geblieben waren, standen nun wieder abseits von der Gruppe. Sie waren in Nindorf heimlich und ohne dass es jemand gemerkt hatte in den Kofferraum gestiegen und ebenso unbemerkt wieder ausgestiegen. Nach kurzem Aufenthalt reiste die Elf weiter durch Lüneburg über Barendorf nach Gifkendorf.

 

Gegen zwei Uhr morgens hatten sie Ottos Haus gefunden, stiegen leise über den Gartenzaum, schlichen ans Haus und stellten sich zum Gesang vor Ottos und Magdalenes Schlafkammerfenster. Nun ertönte aus voller Brust, wie Karl heute noch sagt, die Hymne von Nindorf: „Nindorf ist ein schönes Städtchen, weil es an der Aue liegt“. Drinnen bewegten sich die Gardinen, dann öffnete Otto die Haustür. Er hatte sich eine Hausjacke übergeworfen.

Das Erste, was er vor Schreck sagen konnte, war: „Wat, Fiddi, du hier?“ Fiddi war nämlich bei Otto auf Pohlmannshoff in Nindorf Arbeiter und Melker gewesen. Nach kurzer Begrüßung ging es ins Haus und bald saßen alle bei Willenbokels in Gifkenhorn an einem wirklich reich gedeckten Tisch.

 

Für die Rückfahrt beabsichtigte unsere Gesellschaft, den leichten Mädchen in der „Goldenen Dreizehn“ in Lüneburg die Ehre zu erweisen. Auf der Fahrt vor Lüneburg stoppte jedoch die Polizei dieses etwas sonderbare Fahrzeug mit den elf Besatzungsmitgliedern. Karl als Halter musste sich ausweisen. Die Ordnungshüter wunderten sich über die hohe Anzahl der Fahrgäste, und siehe, statt neune waren es sieben. Zwei hatte man so abgedeckt, dass der Polizist sie nicht bemerkte, und an die beiden im Kofferraum hatte gar keiner gedacht. So durfte Karl unter den Augen der Polizei mit seiner ganzen Gesellschaft seine Reise fortsetzen. Nun war es aber doch genug und man machte sich auf den Weg nach Nindorf, wo die Fahrt morgens gegen sieben Uhr in aller Eintracht endete.